DEINE ZEIT IST GEKOMMEN

Gary Kaplan
Nov 09, 2023

Ein Aufruf zur Solidarität mit dem israelischen Volk im Kampf gegen die geistigen Erben des Nationalsozialismus

Meinungsbeitrag von Gary Kaplan, Abteilung Internationale Beziehungen der Histadrut – Allgemeiner Gewerkschaftsbund Israels

Was ist Solidarität? Das ist eine Frage, die ich mir in den letzten Wochen angesichts der internationalen Proteste gegen Israel nach der Katastrophe vom 7. Oktober gestellt habe.

Es ist schön und gut zu sagen, wir sind solidarisch mit euch, wenn von euch eigentlich nichts zu erwarten ist, aber in Zeiten der Krise und des Notstands sieht es anders aus.

Ich erinnere mich, dass ich immer wieder gefragt wurde, warum wir uns so viel Mühe geben, unsere Beziehungen zum DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) zu pflegen. Weil, wenn man sich in seiner dunkelsten Stunde befindet, mit dem Rücken zur Wand steht und die Welt, von der man glaubte, ein Teil von ihr zu sein, nicht mehr existiert, die wahren Freunde auftauchen und zu einem stehen, koste es, was es wolle, egal, wie die Chancen stehen. Das ist Solidarität.

Der Krieg gegen die Hamas ist noch lange nicht vorbei: Israel blutet und kämpft zurzeit. Ein Land, das noch vor einem Monat gespalten war und am Rande eines Bürgerkriegs stand, hat sich in den frühen Morgenstunden des 7. Oktobers drastisch verändert, während wir live im Fernsehen mit ansehen mussten, wie unser Volk abgeschlachtet und entführt wurde. Unsere Gesellschaft hat sich ohne jegliche Führung in eine vereinte Front verwandelt, eine wirklich vereinte Nation, die sich dem Kampf gegen den bösartigen Feind der Menschheit stellt, und gemeinsam werden wir kämpfen, und gemeinsam werden wir gewinnen.

Es gibt viele Fronten in diesem Krieg, aber die wichtigste ist, die Hamas und ihre Fähigkeit, Israel wieder anzugreifen, zu zerstören. Denn für uns sind die Worte “Nie wieder” kein Solidaritätsslogan für eine Kampagne für eine bessere Welt. Sie sind auch 85 Jahre nach der Kristallnacht eine ständige Erinnerung daran, was passieren kann, wenn wir jemals unvorsichtig werden.

Was die Welt noch nicht begreift, ist, dass sich Israel und die Israelis im Laufe von vier Wochen verändert haben. Wir sind nichtmehr dasselbe Volk. So wie wir am 9. Mai 1945, als die alliierte Welt den Zusammenbruch und die Kapitulation des Dritten Reiches feierte und sechs Millionen Juden ermordet wurden, nicht mehr dieselben Menschen waren. Wir Juden hatten an diesem Tag nichts zu feiern; wir mussten unsere Überreste in den Todeslagern sammeln und versuchen, das jüdische Leben wieder aufzubauen. Nie wieder, und niemals vergessen.

Red Army soldiers during the liberation of the Auschwitz camp in January 1945 (Getty Image)

Wie kann man erwarten, dass wir an Frieden denken, wenn wir am 7. Oktober live miterlebten, wie unsere schwangeren Mütter abgeschlachtet werden? Wie soll man an ein Leben Seite an Seite denken, wenn man live miterlebt, wie unsere Töchter und Schwestern nach einer Vergewaltigung vorgeführt werden? Wie kann man versuchen, über unsere Moral zu debattieren, nachdem wir gesehen haben, wie unsere Babys wieder einmal in Öfen verbrannt wurden?

Seit vielen Jahren habe ich erlebt, wie ich mit Gruppen von israelischen und deutschen Gewerkschaftsmitgliedern in den Konzentrationslagern in Deutschland, Frankreich und der Tschechischen Republik auf den Pfaden des Todes wandelte, dort wo vor 82 Jahren ein Drittel unseres Volkes ausgelöscht wurde, und was wir dort gemeinsam erlebt haben ist unvorstellbar. Deshalb geloben wir an den Massengräbern des jüdischen Volkes, dass diese Gräueltaten nie wieder geschehen dürfen.

Am Abend des 7. Oktober wird uns bewusst, dass seit dem Holocaust nicht mehr so viele Juden and einem einzigen Tag ermordet worden sind. Seit dem Holocaust haben wir nicht mehr erlebt, wie jüdische Mütter und Kinder, Großeltern und Überlebende des Holocausts nach der grausamen Ermordung ihrer Familienmitglieder in Lastwagen gestoßen und verschleppt wurden.

Jetzt muss man durch die Tore von Be’eri, Kfar Aza, Nachal Oz, Nir Oz und den übrigen Kibbuzim und Städten der westlichen Negev gehen, durch die einst friedlichen Wege, die die gemeinschaftliche Lebensweise umgeben, um noch einmal den starken Geruch des Todes zu erleben, der nicht verschwinden will, die Asche verbrannter Menschen, Häuser, die leeren Stühle in den Speisesälen der Kibbuzim, die leeren Spielplätze, ganze Gemeinden. Wenn ihr das tut, seid ihr vielleicht ein wenig näher an dem, was passiert ist, könnt ihr euch die Angst einer Mutter vorstellen, die die Tür des Bunkers vor den eindringenden Terroristen festhält, eines Ehemannes, der seiner Frau eine Sekunde, bevor er erschossen wird, ein Herz-Emoji schickt, oder einen Schrank sehen, in dem sich zwei Geschwister verstecken und schweigen, während ihre Eltern in ihrem Wohnzimmer ermordet werden.

Wenn ihr euch in diese Rolle hineinversetzt, in unsere Rolle, und vielleicht nur dann, werdet ihr ein Stück näher daran sein zu verstehen, wer wir sind und wer ihr sein müsst.

Weit weg von uns, an anderen Ufern und in anderen Landschaften, kämpfen auch wir gegen diejenigen, die uns vernichten wollen, gegen diejenigen, die auf den Straßen der einst großen Demokratien marschieren, die auf den Straßen der Gesellschaften paradieren, die einst die Schlachten der Liberté geschlagen und die Tyrannei um jeden Preis bekämpft haben.

Ich frage mich, was Churchill heute angesichts der “Kapitulation“ seiner geliebten Insel vor den überwältigenden Befürworter_innen von Terrorismus und Tod zu sagen hätte. Was würden die ersten Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union angesichts der Hassgesänge sagen, die die Straßen der europäischen Hauptstädte überfluten.

By Siba Jackson, SKY news reporter

Wir wünschen uns nie den Tag, an dem man sich gegen das Böse und den Tod behaupten muss, für einige Teile der Welt ist es ein Privileg, nie mit solchen Momenten konfrontiert zu werden, für andere ist es eine tägliche Verpflichtung. Der 7. Oktober hat das geändert, das ist nicht zu übersehen, das ist die moralische Verpflichtung der Welt, die Menschheit zu verteidigen.

Eure Zeit ist jetzt gekommen. Was auch immer der Preis sein mag, was auch immer eure Mitglieder denken, woran euer Nachbar glaubt, welche politischen Unruhen es auch immer geben mag, eure Zeit ist gekommen, aufzustehen und den Kampf gegen das Böse und die Dunkelheit aufzunehmen, die nicht nur über die einst blühenden jüdischen Gemeinden der Kibbuzim in der westlichen Negev hereingebrochen ist und sie zerstört hat, sondern auch über eure Küsten, eure Straßen, eure Gemeinden und eure Herzen.  Es heißt jetzt oder nie. Nie wieder ist jetzt.

Was sagt ihr dazu?

Erstellt mit der Unterstützung der FES Israel