Arbeitswelt und Gewerkschaften
Auf der internationalen Bühne hat Israel zurzeit ein schwieriges Standing. Bereits wenige Tage nach dem 7. Oktober wurde die Solidarität mit den Israelis durch jene mit den Menschen in Gaza ersetzt. Als ob das größte Massaker am jüdischen Volk seit der Shoah nie stattgefunden hätte, und nicht über 250 Geiseln gefangen gehalten würden, scheint sich die Welt fast nur noch für den Gaza-Streifen zu interessieren. Schnell wurde Israel zum alleinigen Täter und die Palästinenser zum alleinigen Opfer. Leider gingen diese Entwicklungen auch an den meisten internationalen Gewerkschaften nicht vorbei. Während dem palästinensischen Gewerkschaftsbund PGFTU kritiklose Solidarität entgegengebracht wird, leidet die Histadrut oft unter der so bekannten Doppelmoral internationaler “Kollegen”. Vor diesem Hintergrund ist der mehrtägige Besuch des IGB-Präsidenten Luc Triangle in Israel als Gast der Histadrut zu bewerten. Der globale Gewerkschaftschef konnte sich mit eigenen Augen von der Realität eines Landes im Krieg überzeugen. Er traf eine inzwischen freigelassene Geisel, deren Mann noch immer von Hamas-Terroristen festgehalten wird, besuchte den überfallenen Kibbutz Kfar Azza sowie die Stätte des Nova-Musikfestivals, deren Teilnehmer in großer Zahl ermordet, vergewaltigt oder verschleppt wurden. Luc konnte sich am Kerem Shalom Checkpoint auch ein Bild von der humanitären Hilfe machen, die in den Gaza-Streifen gelangt. Desweiteren besuchte er einen Nahrungsmittelbetrieb, der durch ständigen Raketenbeschuss in Mittleidenschaft gezogen wird, deren mutige Mitarbeiter aber wissen, dass die Versorgungskette von ihrem Durchhaltevermögen abhängt. Er führte ausführliche Gespräche an Arbeitsplätzen mit jüdischen und arabischen Arbeitnehmern, sei es in der Stadtverwaltung von Jerusalem, oder im Ichilov-Krankenhaus in Tel Aviv. Eine ähnlich positive Erfahrung machte er bei seinem Besuch in einem Jugendklub der Gewerkschaftsjugend in Yaffo, dem jüdisch-arabischen Viertel Tel Avivs. Neben intensiven Gesprächen mit der israelischen Gewerkschaftsführung und progressiven Politikern, wurde er auch von Staatspräsident Herzog in seiner Residenz empfangen. Das Fazit des Besuches: Trotz der außerordentlich komplexen Lage, in der sich das Land befindet, “sah ich Hoffnungsschimmer bei jungen Menschen und an Arbeitsplätzen, an denen Juden, Araber, Christen und Palästinenser Seite an Seite arbeiten und sich gewerkschaftlich organisieren“, so IGB – Präsident Luc Triangle.
Als größte und weitaus wichtigste soziale Bewegung Israels, leistet die Histadrut seit dem 7. Oktober eine Reihe von Hilfsleistungen für die betroffene Bevölkerung, unabhängig davon, ob Gewerkschaftsmitglieder oder nicht. Das reicht vom zur Verfügung stellen von Unterkünften in Gewerkschaftshäusern für Menschen, die auf Grund der Kriegssituation zu Flüchtlingen im eigenen Land wurden, bis hin zu Ernteeinsätzen, die notwendig sind, um die fehlenden Arbeitskräfte in der Landwirtschaft zu ersetzen. Dabei darf nicht übersehen werden, dass sich unter den Betroffenen auch viele Mitarbeiter der Histadrut befinden, die für sich selbst und ihre Familien Hilfe und Unterstützung benötigen. Für diese Menschen wurde eine eigene Hotline für psychosoziale Beratung eingerichtet. Die Histadrut-Jugendbewegung kümmert sich um die Kinder derjenigen Familien, deren Eltern in den Millitär-Reservedienst einberufen wurden. Die Histadrutvertretungen im Norden des Landes mussten aufgrund der Angriffe der Terrororganisation Hezbollah geräumt werden. Die Kollegen von dort verrichten nun ihre Arbeit temporär in anderen regionalen Vertretungen. Es gibt somit auch riesige inhouse-Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, doch dank des großen Einsatzes unserer Mitarbeiter, bleibt niemand auf der Strecke. All das wird geleistet, ohne das Kerngeschäft der Histadrut aus dem Auge zu verlieren – die Vertretung der Arbeitnehmer, auch oder vor allem in Zeiten wie diesen.
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Gesellschaft und Politik
In der internationalen Berichterstattung wird oft übersehen, dass der Krieg nicht nur im Gazastreifen tobt, sondern auch im israelisch-libanesischen Grenzgebiet. Nur einem Tag nach dem Massaker des 7. Oktober begann die Bombardierung Nordisraels durch Irans Proxi-Terrorgruppe Hizbollah. Bislang fielen an die 50 Personen in Israel diesen Angriffen zum Opfer, fast 300 wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt. Erstmals in der Geschichte Israels wurden weite Landesteile evakuiert. Mehr als 61.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen, ganze Ortschaften wurden zu Geisterstätten, darunter auch der nördlichste Punkt Israels, die 1896 gegründete Kleinstadt Metulla. Unterdessen erklärten 43 Prozent der Bewohner von Kiryat Shmona, einer Nachbarstadt Metullas, dass sie sich nicht sicher seien, ob sie nach einem Waffenstillstand wieder in ihre Heimatstadt zurückkehren würden. Zu groß ist die Angst vor einem “7. Oktober des Nordens“. Derweil leben weiterhin zigtausende Menschen, die südlich oder östlich der Evakuierungszone wohnen, unter ständiger Bedrohung. Die Regierung hatte den betroffenen Menschen versprochen, dass bis spätestens 1. September, dem Beginn des Schuljahres, „das Problem” gelöst sein würde. Tatsächlich wurden Schulen und Kindergärten mit Schutzräumen ausgestattet, doch für den Schulweg, meistens mit Schulbussen befahren, gibt es keine „Lösung“. Es bleibt nur zu hoffen, dass nicht wieder Kinder, wie vor einigen Wochen im Drusendorf Majdal Shams, zu Opfern der Hisbollah werden. Die Lage ist um so trauriger, da keine Grenzstreitigkeiten zwischen Israel und Libanon bestehen. Ein UNO-Sicherheitsratsbeschluss von 2006 verpflichtet die libanesische Regierung, die Hizbollah-Milizen zu entwaffnen. Seitdem ist allerdings genau das Gegenteil passiert: Hochgerüstet durch den Iran und ständig mit der Vernichtung Israels drohend, wollen die “Gotteskämpfer” zumindest so lange weiter machen, bis es in Gaza zur Ruhe kommt. Sogar ein regionaler Krieg unter Beteiligung des Iran erscheint nicht ausgeschlossen.
Nicht nur, dass israelische Araber einen beachtlichen Anteil des medizinischen Personals in Krankenhäusern stellen, nicht nur, dass sie hochrangige Positionen bei der israelischen Polizei einnehmen, nicht nur, dass sie in allen Instanzen des Gerichtwesens einschließlich im Obersten Gerichtshofes vertreten sind, sie wurden auch genauso Opfer des Hamas-Terrors. Die Befreiung von Farhan Al-Qadi, eines 52-jährigen Beduinen aus Südisrael, der am 7. Oktober von den Hamas-Terroristen in den Gazastreifen verschleppt wurde und die meiste Zeit seiner Gefangenschaft in einem Tunnel verbringen musste, erregte auch international – einschließlich der arabischen Welt – große Aufmerksamkeit. Manchen Beobachtern wurde offenbar allerdings erst dadurch bewusst, dass es auch nichtjüdische Opfer des Hamas-Massakers gibt.
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Gedenken und Vermächtnis
Unter den Opfern des 7. Oktober sind auch Überlebende der Shoah. Ein Beitrag des israelischen Fernsehens war diesen Menschen gewidmet. Vor allem stand hier die Frage im Mittelpunkt, ob der 7. Oktober für sie mit der Shoah vergleichbar sei. Die Antworten fielen völlig unterschiedlich aus: Während es Interviewte gab, die sich sofort in dieses dunkelste Kapitel der Menschheitsgeschichte zurückversetzt fühlten, gab es andere, die jeden derartigen Vergleich zurückwiesen. Alle jedoch waren sich einig, dass der große Unterschied in der zeitlichen Dimension liegt: Während der 7. Oktober einen Tag dauerte, durchlebten sie die Grauen der Shoah über Jahre hinweg. In einem anderen Medienbericht wurden Profile von ausgewählten Shoahüberlebenden, die den 7. Oktober und den darauffolgenden Krieg miterleben mussten, gezeichnet. Fast alle von ihnen sind heute Flüchtlinge im eigenen Land, die wegen des Krieges ihre Ortschaften räumen mussten, was für sie natürlich besonders belastend ist. Manche von ihnen sind fast 100 Jahre alt. Nichtsdestotrotz beklagen sie sich nicht, sondern warten auf grünes Licht für die Rückkehr nach Zuhause. Oft werden sie auch von jüngeren Leidensgenossen gebeten, über ihre Erlebnisse während der Shoah zu erzählen, und vor allem darüber, wie sie es geschafft haben, nach all dem Erlebten wieder Kraft für einen Neuanfang zu finden. Hoffnung, die sie den jüngeren Generationen Israels vermitteln.
Solch ein Optimist war auch Alex Danzig, Mitglied des zerstörten Kibbuz Nir Oz. Der 75-jährige Historiker, der für Yad VaShem arbeitete, war einer der wichtigsten Wegbereiter der Erinnerungsfahrten nach Polen. Hunderte Guides wurden von ihm auf diese schwierige Aufgabe vorbereitet. Alex wurde am 7. Oktober von Hamas-Terroristen in den Gazastreifen entführt. Wie von inzwischen freigelassenen Geiseln berichtet wurde, unterrichtete er sogar in Gefangenschaft Geschichte. Er berichtete viel über das Überleben in der Shoah und war optimistisch, dass auch die Verschleppten des Massakers vom 7. Oktober diesen Albtraum überleben würden. Am 22. Juli 2024 wurde von offizieller Seite bekannt gegeben, dass Alex Danzig in der Gefangenschaft ermordet wurde.
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Meilensteine der israelischen-deutschen Beziehungen – August
August 1963: Adenauer schlägt Israel Botschafteraustausch vor, zieht jedoch das Angebot unter arabischen Druck wieder zurück
August 1994: Während seines Besuches in Bonn, ruft Peres die deutsche Geschäftswelt dazu auf, verstärkt wirtschaftliche Beziehungen mit Israel zu pflegen. Er unterstreicht Israels Vertrauen in die deutsche Demokratie, bietet Unterstützung für einen Sitz Deutschlands im UN-Sicherheitsrat an, und befürwortet den Einsatz deutscher Soldaten im Rahmen von UN-Friedensmissionen im Nahen Osten. Meinungsverschiedenheiten gibt es bezüglich der Beziehungen zum Iran.
Juli/August 2014: Eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen der Hamas im Gazastreifen und Israel ist der Auslöser von mit Antisemitismus gewürzten Protesten auf Deutschlands Straßen und in den digitalen Netzwerken. Die Hetze geht nicht nur von Islamist_innen und rechtsradikalen Extremist_innen, sondern auch von der politischen Mitte und der radikalen Linken aus. Medien und Politiker_innen, einschließlich der Bundespräsident, kritisieren diese anti-israelischen Auswüchse und Exzesse.
Erstellt für die Histadrut von Micky Drill, FES-Israel
Histadrut-DGB-Jugenddelegation:
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Ashes of the past
Responsibility at present
Commitment to the future