End of 2024 update    

Gary Kaplan
Dec 25, 2024

Die Histadrut verurteilt aufs Schärfste den furchtbaren Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg am 20.Dezember. Wir sprechen den Familien der Opfer unser Beileid aus, und wünschen den Verletzten eine schnelle Genesung. Unsere Solidarität gilt der deutschen Bevölkerung, allen voran unseren Gewerkschaftskolleg_innen. Die Histadrut ruft die Internationale Gemeinschaft zum Kampf gegen jede Form von Extremismus, Terrorismus und Rassismus auf und tritt Seite an Seite mit den deutschen Gewerkschaften für Toleranz, Gerechtigkeit, Sicherheit und Frieden ein.

Gesellschaft und Politik

Die Thematik der immer noch 100 israelischen Geiseln, die inzwischen seit rund 450 Tagen in Gaza gefangen gehalten werden, scheint in internationalen Medien zunehmend in den Hintergrund zu rücken. Es ist unklar, wie viele der Geiseln noch am Leben sind, und diese Ungewissheit in Verbindung mit schwindender Hoffnung angesichts der immer wieder gescheiterten Verhandlungen wiegt schwer auf den Angehörigen der Geiseln. Unterstützung und Solidarität erfahren die Geiselfamilien vor allem aus der israelischen Zivilgesellschaft. Nachdem Nachrichten von der Ermordung von sechs Geiseln in Gaza Anfang September an die Öffentlichkeit gerieten, rief der Vorsitzende der Histadrut, Arnon Bar-David, für den folgenden Tag zu einem Generalstreik auf: „Morgen wird die ganze Nation zum Stillstand kommen und sich in einem gemeinsamen Schrei vereinen, um die Geiseln zurückzubringen“. Viele Städte und Gemeinden schlossen sich dem Protest an. Banken, Kindergärten und Universitäten blieben geschlossen, Krankenhäuser und Schulen arbeiteten unter Einschränkungen, und weite Teile des öffentlichen Nahverkehrs stellten die Dienste ein. Seitdem gab es leider keine erfolgreichen Verhandlungen oder militärischen Rettungsaktionen mehr, die zur Befreiung von weiteren Geiseln geführt hätten.

Arnon Bar – David, Histadrut chairman calling for a national strike with the hostages families on 1.9.2024 – photo by Histadrut PR department

Insbesondere seit dem Beginn der israelischen Gegenoffensive auf die Attacken der Hezbollah hat sich die Lage in der Region verändert. Als Reaktion auf die israelische Offensive hat die Hezbollah den bereits seit dem 8. Oktober 2023 andauernden Beschuss des israelischen Nordens intensiviert und bis auf zentrale Ballungsräume ausgeweitet. Bis zum Eintreten des Waffenstillstands feuerte die Hezbollah hunderte Raketen und Drohnen auf militärische und zivile Einrichtungen, was insbesondere im Norden ein normales Leben unmöglich machte. Seit dem 8. Oktober 2023 sind über vierzig Zivilisten dem Hezbollah Beschuss zum Opfer gefallen, zehntausende mussten ihre Häuser verlassen. Unter den zivilen Opfern befinden sich auch Arbeitsmigranten, zumeist aus Thailand, die in den landwirtschaftlichen Betrieben des israelischen Nordens ihrer Arbeit auch unter größter Gefahr weiterhin nachgehen.

Ob der unter amerikanischer und französischer Vermittlung ausgehandelte Waffenstillstand halten wird, muss vorerst noch abgewartet werden.

Überhaupt leben wir in Zeiten großer Unsicherheit – was mit dem gewagten Pager-Explosionen gegen die Hezbollah ihren Ausgang nahm, endete vorerst mit dem Sturz des grausamen Assad-Regimes in Syrien. Doch noch ist ungewiss, was aus Syrien wird. Sogar unter den verschiedenen Gruppierungen, die gemeinsam Assad bekämpften, brechen alte Feindschaften hervor – die von den Türken unterstützen Rebellen, etwa, gegen die von den USA geförderten Kurden. Die syrischen Drusen, wiederum, die für Assad waren, erwarten sich nun von Israel Schutz gegen das neue Regime. Gerade nach dem 7.Oktober muss daher klar sein, dass Israel seine Grenzen vor islamistischen Terrormilizen schützen muss – deshalb hält die Armee einen schmalen, aber strategisch wichtigen Sicherheitsstreifen auf syrischem Gebiet unter ihrer Kontrolle – zumindest bis klar sein wird, wie ein Syrien nach Assad aussieht.  

  

Arbeitswelt und Gewerkschaften

Eine der wichtigsten Thematiken mit Einfluss auf die Arbeitswelt ist der neu beschlossene israelische Staatshaushalt für das Jahr 2025, in dem vor allem die Finanzierung der andauernden Kriegskosten eine zentrale Rolle spielt. Zusätzlich zu Steuererhöhungen plant das Finanzministerium, Hunderte von Millionen Schekel bei den Ministerien und Diensten der Regierung zu kürzen, unter anderem im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen. Um die Interessen der Arbeitnehmerschaft zu verteidigen, gab es intensive Verhandlungen zwischen der Histadrut und dem Finanzministerium. Obwohl der Vorsitzende der Histadrut, Arnon Bar David, und Finanzminister Bezalel Smotrich nicht unterschiedlichere Weltanschauungen haben könnten, gelang es, zu einer zufriedenstellenden Lösung zu kommen. Man einigte sich darauf, alle Kürzungen, die ursprünglich Rentner und Arbeitnehmer betreffen sollten, zurückzunehmen. Arnon Ben David äußerte sich nach den Verhandlungen erleichtert.

Mit keiner anderen Gewerkschaft auf dieser Welt pflegt die Histadrut so enge freundschaftliche Beziehungen wie mit dem DGB und dessen Mitgliedsgewerkschaften. Dieser enge Bund bewährt sich in guten, wie auch in schlechten Zeiten. Für unsere deutschen Kolleg_innen ist Solidarität kein leeres Wort, sondern ein Kompass zum Handeln. Ein konkretes Beispiel dafür sind regelmäßige Begegnungen auf allen Ebenen – gerade jetzt, in Zeiten, in der Israel und auch die Histadrut international immer stärker ausgegrenzt werden. Auf Grund des Krieges müssen einige Konsultationen digital durchgeführt werden, so zuletzt Ende Oktober, unter Beteiligung der jeweiligen Vorsitzenden des DGB und der Histadrut, Yasmin Fahimi und Arnon Bar David.   Vor Beginn der Gespräche bekamen die DGB-Vertreter von Dr. Ralf Melzer, dem Direktor der Friedrich-Ebert-Stiftung Israel, ein Briefing über die derzeitige politische Situation. Die nachfolgenden Konsultationen u.a mit Arnon Bar David und dem Leiter der Wirtschaftsabteilung, Adam Blumenberg, verliefen sehr konstruktiv und informativ. Auch ein Gespräch mit Yair Golan, dem Vorsitzenden der linkszionistischen Partei „The Democrats“, stand auf der Tagesordnung.

Ein weiteres Beispiel deutsch-israelischer Kooperation findet sich in der Reaktion auf eine der zahllosen Anschläge der islamistischen Terrororganisation Hezbollah auf israelische Zivilisten. Ein grauenhafter Raketenangriff  auf Majdal-Shams, einer drusischen Kleinstadt auf den Golanhöhen, bei dem zwölf Kinder auf einem Fußballplatz ermordet sowie weitere 34 verletzt wurden, schockierte ganz Israel. Eine Gedenkaktion für die Opfer wurde von den Kolleg_innen des Jüdisch-Arabischen Instituts der Histadrut organisiert. Ursprünglich sollte diese im Rahmen eines geplanten Benefiz-Fußballturniers im Oktober in Majdal Shams stattfinden, aufgrund der Sicherheitslage wurde es jedoch auf Januar in Tel Aviv verschoben. Der Histadrut gelang es, Borussia Dortmund und Puma an Bord zu holen. Während der BVB einige von den Stars der ersten Mannschaft unterschriebene Bälle spendete, wurden von Puma sechzig Bälle für das Fußballteam von Majdal Shams geschickt. An dieser Stelle nochmal ein großes Dankeschön an Kerstin Zerbe von Borussia Dortmund und Pascal Lenferding von Puma!

Die Verbindung zwischen der Histadrut und den Verantwortlichen von BVB und Puma stellte Daniel Lorcher her, der in seinen Jahren als Fanbeauftragter des BVB viele Kampagnen gegen Antisemitismus auf die Beine stellte. Diese erfolgreiche und wichtige Arbeit führt er mittlerweile mit seiner eigenen Firma „whatmatters“ fort. Seit vielen Jahren ist der Fußball-Club Borussia Dortmund im Kampf gegen Antisemitismus und jede Form von Rassismus aktiv und damit auch für andere deutsche Vereine zum Vorbild geworden. Auch der Verein Werder Bremen muss in diesem Kontext erwähnt werden. Die Werder-Fans waren eine der sichtbarsten Fan-Gruppen, wenn es darum ging, Solidarität für Israel nach dem 7. Oktober zu zeigen. Für die Fans hatte dies durchaus auch einen persönlichen Grund. Hersh Goldberg-Polin, eine der Geiseln, die in der Gefangenschaft in Gaza ermordet wurde, war ein Fan des SV Werder Bremen. Woche um Woche sah man Banner und Plakate auf den Rängen, die sich mit Hersh solidarisierten und auf sein grausames Schicksal aufmerksam machten. All dies wird von der israelischen Fan-Szene sehr positiv bemerkt. Ihre Verbindung zu deutschen Vereinen wurde durch diese Solidarität intensiviert. Wir sind gespannt, welche weiteren Fanfreundschaften in Zukunft entstehen werden.

The Jewish – Arab Histadrut Institute & the international relations division receiving the donation from BVB & PUMA

Gedenken und Vermächtnis

Unter dem Eindruck des 7. Oktobers 2023 und des Anstiegs des Antisemitismus auch in Deutschland begannen Verhandlungen zwischen Fraktionen des Deutschen Bundestages mit dem Ziel, eine Resolution zu verabschieden, um jüdisches Leben in Deutschland besser zu schützen.  Der Antrag unter dem Titel “Nie wieder ist jetzt – Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken”  wurde  mit einer breiten demokratischen Mehrheit im Bundestag verabschiedet. Auch die israelische Botschaft sowie der Zentralrat der Juden in Deutschland äußerten sich zufrieden mit der Resolution, die sich im Spirit der Deklaration von DGB-Jugend und Histadrut dafür einsetzt, dass „Nie wieder!“ als klarer Handlungsauftrag gesehen wird.

In diesem Geiste blickt die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) auf eine lange Geschichte von Freiwilligenarbeit in Israel zurück, die 1961 im Kibbutz Urim begann. Seitdem ist die ASF die zentrale Anlaufstelle für Freiwillige aus Deutschland, die sich in Israel sozial engagieren wollen. Lange Zeit galt Israel als Ziel Nummer 1 innerhalb der ASF, derzeit bleiben die Freiwilligen jedoch aus. Wir hoffen, dass sich mit ruhigeren Zeiten wieder mehr Freiwillige finden, die nach Israel kommen wollen. Mit dem Beit Ben Yehuda in Jerusalem, das als Wohnort und Treffpunkt für Freiwillige der ASF fungiert, wartet ein attraktiver Ort auf die Absolventen.

104 Jahre Solidarität, Werte und Sorge um die arbeitenden Menschen 🤝

In diesen Tagen feiern wir den 104. Jahrestag der Gründung der Histadrut. Seit der Gründungskonferenz, die 1920 im Schein der Chanukka-Kerzen stattfand, ist die Histadrut die treibende Kraft, die den Weg zur Gründung des Staates Israel ebnete. In den ersten Jahrzehnten gründete die Histadrut einrichtungen und Institutionen für das Wohlergehen der Arbeiter_innen, die zur Infrastruktur wurden, auf der der Staat gegründet wurde.

Die Histadrut ist nach wie vor eine zentrale Säule im System der Arbeitsbeziehungen in Israel und eine große und einflussreiche soziale Bewegung.

Anlässlich des 104. Jahrestages der Organisation freuen wir uns, das neue Plakat zu präsentieren, das sich in eine großartige Sammlung von ikonischen Plakaten einreiht, die die Arbeit der Histadrut über die Jahre hinweg begleitet haben. Das Plakat kombiniert grafische Elemente in Blau- und Gelbtönen, die Gleichheit, Einheit und solidarität symbolisieren. Die Streifen auf dem Plakat bilden einen Davidstern, der die Einheit symbolisiert. Gelb steht für Licht, Optimismus und Hoffnung und ist zu einem Symbol des Kampfes für die Rückkehr der Entführten aus der Gefangenschaft geworden.

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Erstellt für die Histadrut von Stanislaus Grundelach und Micky Drill, FES-Israel

Histadrut delegation to DGB NBS – November 2024
Histadrut delegation to DGB NRW – November 2024
Histadrut delegation to Ver.di NRW – December 2024

Ashes of the past

Responsibility at present

Commitment to the future