Im Februar 2025 hatten wir die Ehre, zwei Spitzendelegationen des DGB und dessen Mitgliedsgewerkschaften für Solidaritätsbesuche in Israel zu empfangen. Mit diesen ersten Visiten seit dem 7. Oktober 2023 wollten sich die deutschen Kolleg_innen ein persönliches Bild von dem verheerenden Angriff und dessen anhaltenden Auswirkungen auf die israelische Gesellschaft machen.
Den Auftakt machte eine Delegation, die von der DGB-Vorsitzenden Yasmin Fahimi geleitet wurde und prominente Gewerkschaftsführer wie den Vorsitzenden der EVG Martin Burkert, den ver.di-Vorsitzenden Frank Werneke, den Vorsitzenden der IGBCE Michael Vassiliadis, sowie weitere DGB-Vertreter_innen umfasste. Während ihres Besuchs führten sie bedeutende Gespräche mit dem Histadrut-Vorsitzenden Arnon Bar-David sowie weiteren israelischen Gewerkschaftsführer_innen, trafen sich mit dem israelischen Präsidenten Isaac Herzog in der Präsidentenresidenz in Jerusalem und nahmen an einer Roundtable-Diskussion mit Yair Golan, Vorsitzender der Partei The Democrats, teil. Darüber hinaus standen Besuche in Yad Vashem inklusive einer Zeremonie in der Gedenkhalle, dem Gaza-Grenzgebiet und Ramallah auf dem Programm.
An ihrem ersten Tag kamen die deutschen Gewerkschaftsspitzen mit Bar-David und ihren israelischen Counterparts im Hauptquartier der Histadrut zusammen, um zentrale Themen der Zusammenarbeit zu besprechen. Die diskutierten Bereiche umfassten unter anderem den Kampf gegen anti-israelische Aktivitäten auf internationaler Gewerkschaftsebene, die Ausweitung von Jugendaustauschprogrammen und neue Initiativen im Bereich der Gleichstellung und Arbeitsplatzsicherheit. Bar-David betonte: „Wir befinden uns in einer komplexen Zeit und stehen vor Herausforderungen, die nicht jedes Land erlebt. Inmitten dieser Ereignisse konzentrieren wir uns darauf, für die Arbeitnehmer_innen zu sorgen und die israelische Wirtschaft zu stabilisieren.“

Angesichts der zunehmenden Kritik an der Unterstützung für die Histadrut war der Zeitpunkt der Solidaritätsbesuche von besonderer Bedeutung. Zusätzlich zu den zahlreichen innenpolitischen Herausforderungen und den Kriegsfolgen sieht sich die Histadrut auf internationaler Ebene mit Boykottforderungen und massivem Gegenwind konfrontiert. Entsprechend hoch geschätzt wurde das Statement von Yasmin Fahimi, die am Ende des ersten Besuchstags schrieb: „Freundschaft, Partnerschaft und Zukunft im Nahen Osten! Wir sind vom DGB nach Israel gekommen, um unsere Solidarität mit den Menschen hier zu zeigen.“ Diese Haltung bekräftigten die Vertreter_innen der deutschen Delegation auch bei einer Roundtable-Diskussion zum aktuellen politischen Kontext bei der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) unter Beteiligung von FES Israel Direktor Dr. Ralf Melzer und Yair Golan. Bei diesem Anlass stellte Fahimi unmissverständlich klar: Der DGB steht fest hinter der Histadrut und den Menschen in Israel. Dabei handelt es sich keineswegs um blinde Solidarität oder leere Worte, sondern eine bewusste und entschiedene Haltung der deutschen Gewerkschaften.

Die weitreichenden Folgen des 7. Oktobers für die am stärksten betroffenen Gebiete, aber auch für ganz Israel, wurde bei einer Fahrt in das Gaza-Grenzgebiet besonders greifbar. Neben einem Besuch am Ort des Nova-Festivals ermöglichte die Histadrut Gespräche im Kibbutz Be’eri und einem Urban Kibbutz in Sderot.Dort teilten Bewohner_innen ihre ergreifenden Geschichten: Über ihr Erleben des 7. Oktober, über Verlust, Trauer und Schock, aber auch über Resilienz und den unermüdlichen Einsatz für ihre Gemeinschaften. In Tel Aviv versammelte sich die Delegation auf dem sogenannten Geiselplatz, um ihr Mitgefühl mit denjenigen zu zeigen, die auf die Rückkehr der im Zuge der Waffenruhe freigelassenen Geiseln warteten.

Der Blick in die Zukunft deutsch-israelischer Gewerkschaftsbeziehungen ist vielversprechend: Es war uns eine große Freude, im Anschluss an die Delegation um DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi erstmalig seit Kriegsbeginn auch zwei Spitzenvertreter der DGB-Jugend willkommen zu heißen. Sie machten deutlich, dass die enge Verbundenheit unserer Gewerkschaften durch die junge Generation weitergetragen und gefestigt wird.
Kristof Becker, DGB-Jugendsekretär, und Philipp Siewert, internationaler Referent der DGB-Jugend, erhielten während ihres Besuchs wertvolle Einblicke in das aktuelle Leben in Israel. Auch sie hatten die Gelegenheit, persönliche Geschichten im Gaza-Grenzgebiet zu hören, wobei sie den 7. Oktober und die folgenden Wochen aus der Perspektive anderer junger Erwachsener illustriert bekamen. Diese berührenden Geschichten wurden ergänzt durch politische Perspektiven, gewonnen durch Gespräche mit der Knessetabgeordneten Naama Lazimi (The Democrats) und einem Abend mit jungen Vertreter_innen der Histadrut und assoziierten Organisationen.

Ein Musterprojekt unserer DGB-Histadrut-Kooperation sind die seit mehr als 50 Jahren stattfindenden Jugenddelegationsaustausche. Bei einem Alumnitreffen wurden Kristof Becker und Philipp Siewert herzlich von jungen Israelis begrüßt, die in den letzten Jahren an den Deutschlandreisen teilgenommen haben. Während eines gemeinsamen Abendessens teilten sie Eindrücke aus ihrem Alltag seit dem 7. Oktober und berichteten von den langjährigen Freundschaften, die aus den Delegationsreisen nach Deutschland entstanden sind. Zusammen mit der Aussicht, dass dieses Jahr das erste Mal seit Ausbruch des Krieges wieder eine deutsche Jugenddelegation nach Israel reisen wird, war der Abend ein Sinnbild der hoffnungsvollen und starken Zukunft unumstößlicher Verbindungen zwischen DGB und Histadrut – ebenso wie ein Beispiel der zentralen Bedeutung persönlicher Beziehungen als Fundament dieser Verbindung.

Mit den beiden Besuchen blicken wir auf eindrucksvolle Konsultationen zurück, die von tiefgreifendem, genuinem gegenseitigen Interesse und der bewussten Solidarität geprägt waren – ein gelungener Auftakt des Jubiläumsjahrs der 50-jährigen formellen Partnerschaft zwischen DGB und Histadrut. Dieser Meilenstein wird in diesem Jahr mit Festakten in Deutschland und Israel sowie weiteren gegenseitigen Besuchen begangen.
Gary Kaplan, Referatsleiter in der internationalen Abteilung der Histadrut, brachte es folgendermaßen auf den Punkt: „Der Solidaritätsbesuch der Vorsitzenden der DGB und der Vorstände der Mitgliedgewerkschaften ist zutiefst bewegend und von großer Bedeutung. Solidarität zeigt sich in Zeiten der Krise; nie seit der Shoah waren das jüdische Volk und die Menschen in Israel so isoliert und von einem Großteil der Welt ignoriert – ein Umstand, der sich auch in der globalen Gewerkschaftsbewegung widerspiegelt. In diesem Jahr begehen wir 50 Jahre Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen unseren Organisationen sowie 60 Jahre seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Deutschland. Damals wie heute und auch in Zukunft stehen wir an vorderster Front dieser besonderen Beziehung zwischen unseren Völkern. Dieser Besuch ist Ausdruck der Essenz unserer Partnerschaft.“
Erstellt für die Histadrut von Leonie Köhler, FES-Israel

Ashes of the past
Responsibility at present
Commitment to the future