Highlights– August 2023

Gary Kaplan
Sep 04, 2023

Arbeitswelt und Gewerkschaften

Während auch in Israel der August der Urlaubsmonat par excellence ist, arbeitet die Histadrut weiterhin auf Volltouren. In den letzten Tagen wurden ein Mantel- und ein Betriebstarifvertrag unterschrieben, die die Situation von tausenden von Arbeitnehmer_innen wesentlich verbessert. Zum einem geht es um die mehr als 55-tausend Kindergartenassistent_innen. Diese Berufsgruppe ist bei den Städten, Kommunen und Gemeinden angestellt, ganz im Unterschied zu ihren Kolleg_innen, den Kindergärtner_innen, die Beschäftigte des Bildungsministeriums sind. Das hat zur Folge, dass beide Gruppen von verschiedenen Gewerkschaften vertreten werden, und dass die Arbeitsrahmenbedingungen, Sozialleistungen und Gehälter der beiden ganz unterschiedlich sind. Während die Kindergärtner_innen recht gute Bedingungen haben, leiden die Assistant_innen  nicht nur unter dem Gegenteil, sondern auch unter schlechtem Ansehen. Das soll sich nun ändern: der Tarifvertrag beinhaltet unter anderem eine sofortige Lohnerhöhung von mindestens 20 Prozent, eine Verkürzung der Arbeitswoche, eine Anpassung der Urlaubstage an den Kalender des Bildungsministeriums, und eine Reihe von Weiterbildungsmöglichkeiten, gekoppelt mit finanziellen Gehaltszulagen.

Seit 18. August gibt es eine U-Bahn im Ballungszentrum Tel Aviv. 34 Stationen, davon zehn unterirdisch, werden durch die Züge, die durch fünf Städte fahren, miteinander verbunden. Grund genug, um mit der Vertretung der 280 Kolleg_innen einen Tarifvertrag zu unterschreiben, der ihnen nicht nur gute Arbeitsbedingungen, recht hohe Löhne und Gehälter, sondern auch Jobsicherheit garantiert. Immerhin handelt es sich ja um echte israelische U-Bahn Pioniere, auf deren Einsatz Millionen Menschen jahrzehntelang ungeduldig warteten. Gute Fahrt…

Gesellschaft und Politik

Im Streit um die Justizreform wird für September ein neuer Höhepunkt erwartet. Dann nämlich muss der Oberste Gerichtshof des Landes schwerwiegende Entscheidungen treffen. Zum einem geht es um das im Juli verabschiedete umstrittene Gesetz, das dem Obersten Gericht die Möglichkeit nimmt, Entscheidungen des Kabinetts oder von Minister_innen als “nicht angemessen“ zurückzuweisen. Hier muss das Gericht entscheiden, ob das Gesetz, das die Macht der Judikative beschneidet, überhaupt verfassungsgemäß ist. Darüber hinaus muss entschieden werden, ob Netanyahu gegen die Verpflichtung verstoßen hat, sich nicht proaktiv in Angelegenheiten einzumischen, die auf das gegen ihn gerichtete juristische Verfahren Auswirkungen haben könnten. Das war nämlich die Bedingung für seine Angelobung als Ministerpräsident. Nun heißt es jedoch, durch seine Unterstützung für die Justizreform habe er diese Kondition grob verletzt und müsse deshalb zum Rücktritt gezwungen werden. Besonders beunruhigend ist die Tatsache, dass sich Netanyahu weigert, klar und deutlich zu erklären, dass er auf jeden Fall das Gerichtsurteil befolgen werde. Im Falle, dass er das nicht tun würde, wäre eine Verfassungskrise unausweichlich und das Land würde wohl ins Chaos stürzen. Für die Histadrut wäre das ein Casus Belli. In enger Kooperation mit der Business-Community würde sie unmittelbar mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln an der Seite der Justiz für die Beibehaltung des demokratischen Systems eintreten. Ein Generalstreik wäre wohl das wahrscheinlichste Szenario. Bleibt nur zu hoffen, dass es dazu nicht kommen muss.

Siehe: https://global.histadrut.org.il/news/amid-constitutional-crisis-bar-davis-promises-histadrut-will-not-be-on-the-sidelines/

Histadrut Chairman Arnon Bar David

Gedenken und Vermächtnis

In den letzten Kriegswochen ging es den Deutschen vor allem darum, Spuren ihrer Verbrechen zu verwischen, ohne jedoch auf ihr Hauptziel, die Vernichtung der Juden, verzichten zu müssen. In diesem Zusammenhang ist die Entsendung von drei Zügen von Bergen Belsen mit insgesamt über 7.000 Menschen im April 1945 zu sehen. Ziel: das noch intakte Konzentrationslager Theresienstadt. Nur einer der Züge gelangte tatsächlich dorthin. Ein Zweiter wurde nach heftigen Luftangriffen schließlich von der Roten Armee befreit, der Dritte am 13. April von den Amerikanern im Dorf Farsleben, nahe Magdeburg. Nun, nach fast 80 Jahren ist ein Film der US-Armee aufgetaucht, der erstmals die Minuten der Befreiung zeigt. Die Opfer waren ausgelaugt, müde, hungrig und durstig, doch beim Anblick ihrer Befreier wurde erstmals nach langer Zeit ihr Traum von Freiheit Realität. Manche der Überlebenden des sogenannten Todeszuges (Viele starben auf der sieben tägigen Reise durch Krankheiten, Ersticken oder Erschöpfung), endeckten sich plötzlich nach all diesen Jahren im Film wieder – so auch der heute 90-jährige Ya’akov Barzilai. Sein Vater und Großvater wurden in Bergen Belsen ermordet, doch sich selbst, seine Schwester und seine Mutter sieht er nun im Film. “Wie man inzwischen weiß, war es der Plan der Deutschen uns alle in der Elbe zu ertränken, doch das haben die Amerikaner verhindert“, so Barzilai. https://www.youtube.com/watch?v=yUKDOsPayBg

Meilensteine der israelischen-deutschen Beziehungen – August

August 1963: Adenauer schlägt Israel Botschafteraustausch vor, zieht jedoch das Angebot unter arabischen Druck wieder zurück

August 1994: Während seines Besuches in Bonn, ruft Peres die deutsche Geschäftswelt dazu auf, verstärkt wirtschaftliche Beziehungen mit Israel zu pflegen. Er unterstreicht Israels Vertrauen in die deutsche Demokratie, bietet Unterstützung für einen Sitz Deutschlands im UN-Sicherheitsrat an, und befürwortet den Einsatz deutscher Soldaten im Rahmen von UN-Friedensmissionen im Nahen Osten. Meinungsverschiedenheiten gibt es bezüglich der Beziehungen zum Iran.

Juli/August 2014: Eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen der Hamas im Gazastreifen und Israel ist der Auslöser von mit Antisemitismus gewürzten Protesten auf Deutschlands Straßen und in den digitalen Netzwerken. Die Hetze geht nicht nur von Islamist_innen und rechtsradikalen Extremist_innen, sondern auch von der politischen Mitte und der radikalen Linken aus. Medien und Politiker_innen, einschließlich der Bundespräsident, kritisieren diese anti-israelischen Auswüchse und Exzesse.

August 2023 Delegationen:

GEW-ITU: Seit 1968 treffen sich alle zwei Jahre 15 israelische und 15 deutsche Pädagog_innen, um sich über die Vermittlung der Shoah im Unterricht auszutauschen. https://vimeo.com/user4001113/review/801520191/224a743ab1.

Eine kleine Gruppe von Expert_innen der beiden Partnergewerkschaften GEW und ITU (Israeli Teachers Union – Histadrut HaMorim) berieten in einem dreitägigen Workshop, das in der Bildungsstätte der Histadrut in Beit Berl stattfand, über eine konzeptuelle Neuausrichtung dieser traditionellen Begegnungsmaßnahme. 

Die GEW-Delegation in Israel August 2023

Histadrut-DGB-Jugenddelegation: Eine Reise des politischen Engagements und des sozialen Wandels enthüllt die deutsche Gesellschaft aus israelischer Perspektive

Keren Wedel, Studentin und gewerkschaftlich organisierte High-Tech-Mitarbeiterin, teilt ihre aufschlussreichen Erfahrungen als Jugenddelegierte in Deutschland diesen Sommer. https://global.histadrut.org.il/news/histadrut-dgb-youth-delegation-a-journey-of-political-engagement-and-social-change/

Erstellt mit der Unterstützung von Micky Drill, Vertreter der FES in der Histadrut

Ashes of the past

Responsibility at present

Commitment to the future