Arbeitswelt und Gewerkschaften:
Die Arbeiterbewegung hat den modernen Staat Israel aufgebaut. Die Histadrut etwa, die 28 Jahre vor der Staatsgründung ins Leben gerufen wurde, legte die Grundsteine des Landes für eine soziale Wirtschaft und solidarische Gesellschaft. Dementsprechend wichtig war auch der 1.Mai, der Tag der Arbeit. Das Land stand still, Kinder hatten schulfrei, rote Fahnen wurden gehisst, tausende Arbeiter_innen marschierten stolz durch die Straßen der Städte und riefen zu internationaler Solidarität der Arbeitnehmerschaft auf. Mit dem Ende der sozialdemokratischen Hegemonie in den 70-er Jahren des 20.Jahrhunderts, verlor zwar auch dieser Tag an Bedeutung, doch die Stärkung der Histadrut führte zu einem gewissen Comeback des 1. Mai. So fand in diesem Jahr eine 1.Mai-Feier im Zentrum Tel Avivs unter Beteiligung von tausenden, vor allem jungen Menschen, statt. https://global.histadrut.org.il/news/may-day-parade-in-tel-aviv-calls-for-social-justice/ . Die Veranstaltung war dem Thema “es gibt keine Demokratie mit Armut” gewidmet. Die Teilnehmer_innen forderten soziale Rechte für alle. Bildung, medizinische Betreuung oder Altersversorgung seien unantastbare Menschenrechte, wie auch das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren oder zu streiken. Im Rahmen des Events wurden Vertreter_innen von Betrieben ausgezeichnet, die sich im letzten Jahr gewerkschaftlich organisiert hatten, darunter auch Unternehmen mit vor allem jungen Arbeitnehmer_innen, etwa im Bereich von Zustelldiensten oder Fastfoodketten. Überhaupt waren es in erster Linie junge Kolleg_innen der Histadrut-Jugend, die dem 1.Mai-Happening beiwohnten. Sie forderten nicht nur soziale Gerechtigkeit, sondern warnten auch vor einem Demokratieabbau in Israel. Darauf ging Histadrut-Vorsitzender Arnon Bar-David in seiner Rede ein, und versprach, dass die Histadrut auch weiterhin ein Bollwerk gegen jegliche Versuche sein wird, Gewerkschaftsrechte einzuschränken.
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Power to the Union Youth – Berlin
Or Ratzabi, Tomer Shrem und Gary Kaplan hatten die große Ehre, letzte Woche am Power to the Union Youth – Event als Vertreter_innen von NOAL, der Jugendorganisation der Histadrut, sowie der internationalen Abteilung der Histadrut, teilzunehmen. Die Veranstaltung, die von der DGB und der EGB-Jugend organisiert wurde, stieß bei den israelischen Kolleg_innen auf immenses Interesse und Anerkennung. Die Teilnahme einer israelischen Delegation ist ein weiteres Zeichen der tiefen und besonderen Beziehungen zwischen der Histadrut und dem DGB.
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Gesellschaft und Politik:
Zwischen dem 9. und dem 13. Mai kam es wieder mal zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und bewaffneten Milizen im Gazastreifen. Der Auslöser war diesmal der Tod eines hungerstreikenden palästinensischen Häftlings, der der palästinensischen radikalislamistischen Terrororganisation “Jihad Islami = heiliger islamischer Krieg” angehörte. Als Reaktion darauf feuerten die Jihadisten 102 Raketen auf die Grenzstadt Sderot und weitere Grenzorte. Sieben Zivilisten wurden verletzt, einer davon, ein chinesischer Bauarbeiter, schwer. Wider aller Erwartungen reagierte Israel vorerst gar nicht – bis eine Woche danach der Vergeltungsschlag folgte. Innerhalb weniger Minuten tötete die Luftwaffe vier hochrangige Anführer dieser von Iran direkt unterstützten Terrorgruppe. Im Laufe der Aktion erhöhte sich diese Zahl auf Sechs, mindestens 19 weitere Terroristen kamen ums Leben. Der Schwerpunkt der Angriffe richtete sich auf militärische Infrastruktur, wie Abschussstellungen von Raketen und Mörsergeschossen, Produktionsstätten von Waffen, Kommandostellungen und Terrortunnels. Der Jihad feuerte auf Israel mehr als 1400 Raketen, wobei rund 20 Prozent noch im Gazastreifen einschlugen. Israel gelang es mittels ihrer Raketenabwehrsysteme 95 Prozent der Geschosse abzuschießen. Trotz dieses beeindruckenden Ergebnisses wurde eine 81-jährige Frau in der Stadt Rehovot durch den Einschlag einer Rakete in ihr Wohnhaus getötet. Am 13.Mai trat ein durch Ägypten vermittelter Waffenstillstand in Kraft, doch jedem ist klar, dass es sich dabei eigentlich nur um eine Gefechtspause handelt – bis zur nächsten Runde, die durchaus noch gefährlicher werden kann, falls weitere radikalislamistische Gruppen – etwa die Hamas, die Hizbolla oder gar die iranische Armee selbst, sich aktiv an den Kampfhandlungen beteiligen sollten. Leider ein durchaus realistisches Szenario.
Diese Konflikte haben neben psychischen Traumata, die sie hervorrufen, natürlich auch wirtschaftliche Auswirkungen: hunderttausende Menschen, die ihre Zeit in Bunkern und Schutzräumen verbringen müssen, können nicht an ihren Arbeitsplätzen erscheinen. Die Histadrut hat deshalb mit dem Arbeitgeberverband einen Tarifvertrag ausgehandelt, der Lohnausfälle in solchen Situationen ausgleicht. In einem Schreiben an den Arbeitsminister forderte Histadrut-Vorsitzender Arnon Bar-David diesen auf, dieses Abkommen auf alle Betroffenen Arbeitnehmer_innen auszuweiten. Siehe https://global.histadrut.org.il/news/chairman-of-histadrut-calls-for-economic-security-for-workers-affected-by-gaza-conflict/
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Gedenken und Vemächtnis
Was tun, wenn AfD-Abgeordnete Yad VaShem besuchen wollen ? Diese Frage stellte sich die Leitung des Shoah-Gedenk Museums, nachdem die deutsche Botschaft in Tel Aviv dort deren Besuch anmeldete. Wie bei hochrangigen Besuchen üblich, baten die ungewöhnlichen Besucher um Erlaubnis, eine Gedenkzeremonie mit Kranzniederlegung abzuhalten. Nach ausführlicher Debatte fiel folgende Entscheidung: Besuch – ja, Zeremonie und Treffen mit Museumsleitung – unter keinen Umständen. So mussten sich die Bundestagsabgeordneten Marc Jongen und Matthias Moosdorf, begleitet durch eine Mitarbeiterin der AfD-Fraktion, mit einer einfachen Führung “in perfektem Deutsch“, wie Jongen betonte, begnügen. Dany Dayan, Direktor von Yad VaShem, in einer Stellungnahme auf Twitter: “Yad VaShem steht allen Menschen offen, besonders denjenigen, die besonders intensive Aufklärung über die Shoa nötig haben. Die AfD und Gleichgesinnte haben noch einen langen Weg vor sich, um die Shoa zu verstehen, und die deutsche Verantwortung für diese grausame Vergangenheit zu übernehmen.“ Das offizielle Israel vermeidet jeglichen Kontakt mit der AfD.
Histadrut-DGB Jugenddelegationen
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Meilensteine der israelisch-deutschen Beziehungen – Mai
1953: Israel eröffnet ein Vertretungsbüro in Köln, und ein deutsches Visabüro wird in Israel eingerichtet. Das Büro in Köln dient der Verschiffung von “Entschädigungswaren” an israelische Firmen.
1960: Bundeskanzler Adenauer trifft Ministerpräsidenten Ben Gurion in New York. Die beiden tauschen sich über zukünftige wirtschaftliche Beziehungen und über (geheime) militärische Kooperation zwischen den beiden Staaten aus.
1965: Austausch diplomatischer Noten zwischen Bundeskanzler Erhard und Ministerpräsidenten Levi Eschkol über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der BRD und Israel.
1988: Das Segelschulschiff “Gorch Fock” legt in Haifa an. Es ist das erste Mal, dass eine Einheit der Bundeswehr den jüdischen Staat einen Besuch abstattet. Der Besuch erregt kaum Aufmerksamkeit in den israelischen Medien. “Das Fehlen der Aufregung kann als positives Resultat gewertet werden”, erklärt ein deutscher Diplomat.
1990: Anlässlich 25 Jahre seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen, schreibt die “Jerusalem Post“: „Nach den USA ist die BRD unser bester Freund“.
1993: Der Bundestag verabschiedet ein Gesetz, das es deutschen Firmen verbietet, Anti-Israel Boykott Klauseln in Verträgen mit arabischen Geschäftspartnern zu verankern.
2006: Zwei FDP und ein SPD-Abgeordneter lösen eine Kontroverse aus, nachdem sie den palästinensischen Hamas-Minister für Flüchtlinge, Atef Adwan, zu einem “privaten, inoffiziellen Gedankenaustausch“ empfangen haben. Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier kritisieren die Politiker für die Aushöhlung des EU-Konsensus, der jeglichen Kontakt mit der Hamas verbietet.
2008: Anlässlich des 60. Jahrestages der Gründung Israels, finden eine Reihe von Veranstaltungen in Deutschland statt. Der Bundestag hält eine 90-minütige Sondersitzung ab.
2012: Laut einer Umfrage des “Stern”, meinen 70 Prozent der Befragten, dass Israel seine eigenen Interessen ohne jegliche Rücksichtnahme auf andere Völker wahrnimmt. 59 Prozent meinen, Israel sei „aggressiv“. Nur 36 Prozent finden Israel “sympathisch”. 13 Prozent glauben, Israel hätte kein Existenzrecht. 60 Prozent geben an, Deutschland hätte keine besondere Verantwortung gegenüber Israel.
2015: 300 junge Multiplikator_innen reisen nach Berlin zum deutsch-israelischen Jugendkongress, der von ConAct organisiert wurde. Der Höhepunkt der Veranstaltung ist ein Besuch der Staatspräsidenten beider Länder, Reuven Rivlin und Joachim Gauck.
2023: Eine Delegation der Histadrut nimmt auf Einladung des DGB am EGB-Kongress in Berlin teil, darunter auch Vertreter_innen der jungen Generation.
Erstellt mit der Unterstützung von Micky Drill, Vertreter der FES in der Histadrut